- Offizieller Beitrag
HU Tobacco
DARK MOOR
Hans Wiedemann hat für den Pfeifen-Klub „Pipe Enthusiasts Germany“ im letzten Jahr zwei
Tabake kreiert. Meine Suche nach dieser Vereinigung deutscher Pfeifenraucher in der
allwissenden digitalen Müllhalde des Internets blieb leider erfolglos, sprich es war schlicht
nichts darüber zu finden. Der Pfeifenblog verwies auf eine Facebook-Gruppe, von der
mir aber ebenfalls jede Spur fehlt. Bin kein Fratzenbuch-Jünger…
Im Endeffekt ist es auch egal, der Tabak kommt von HU, das steht fest. Ebenso wie die
Tatsache, dass Kohlhase und Kopp die Blätter in die Dosen drücken. Da Herr Wiedemann
einen ausgeprägten Sinn für die Kreation des optimalen Geschmackserlebnisses in Bezug
auf das zu erreichende Aroma bei gleichzeitig hoher Tabakqualität hat, kann man also
von einem Spitzentabak mit dem besonderen Etwas ausgehen. Bei diesen Tabaken handelt
es sich um eher finstere oder schwermütigere Mischungen, die wohl mehr für die Zeit
gedacht sein sollen, wenn die Tage kürzer, kälter und rauer werden.
Die NIGHT OWL werde ich später unter meine Fittiche nehmen, jetzt mauser ich erstmal
den Dunkelsumpf…
Die Dose fasziniert mich. Alexander Broy hat hier genau die Stimmung eingefangen, die
der Tabak verbreiten soll. Wirklich sehr ansprechend, auch wenn zu 40% von unnötigen
Warnhinweisen für unmündige Holzköpfe, die auch E5 in ihren Diesel tanken, verdeckt
wird. Dabei hat man sich so viel Mühe gegeben mit dem Etikett, das wohl
matt-kunststofflaminiert wurde und der Dose so etwas sehr edles verleiht. Keinerlei
Reflexionen, Fingerabdrücke kriegt man kaum drauf bzw. sind nicht zu sehen. Mal ab von
der Verwendung dieses ökologisch nicht unumstrittenen Materials, wirklich sehr schön.
Auch bei der Beschreibung der Mischung geht dem erfahrenen Pfeifenraucher das Herz auf.
Sehr poetisch steht geschrieben:
„Wenn morgens im Spätsommer, Anfang Herbst die ersten Nebelschwaden aufsteigen, ist die
Zeit für dunkle, kräftige Tabake gekommen. Der Dark Moor vereint beste Brown Virginias in
seiner Basis, welche mit Kentucky und Perique veredelt wurden. Torfig-rauchiges
Kentucky-Blattgut, um einen Hauch Perique nuanciert, ergeben im Einklang mit diesen
Brown Virginias einen süßen, kräftigen Blend, der einen unverwechselbaren
rauchig-würzigen Charakter in sich trägt. Dieser Charakter spiegelt sich nicht nur in
einem tiefen, harmonischen Blend, sondern auch in unseren kreierten Etiketten wieder,
die seiner Seele Ausdruck verleihen. Einer Seele, die morgens im Nebel aufgeht und
sich abends gern zu einem Whisky gesellt.“
Wohlgemerkt findet man diese Beschreibung nur im Internet auf der HU-Seite (oder
auf Einzelhandel-Seiten) denn auf der Rückseite der Dose ist nur der weiße Aufkleber
mit 50% Warnhinweis. Schmeckt nach einer tödlichen Lungenkrankheit bei mir…
Das wird wohl auch noch schlimmer, den durch Tracking-Vorgaben und dem Verbot,
dem Kunden zu sagen, wonach ein Tabak schmeckt, wird es zukünftig wohl noch
schwieriger für die Industrie, den Kunden und im Besonderen für kleine Produzenten
wie Hans Wiedemann.
Tabakbild
Ich habe hier eine 50g-Runddose vor mir, die beim ersten Öffnen einen hellen, fruchtigen
Geruch verströmt, der schon fast in der Nase sticht. Sofort habe ich den Limerick Flake von
DTM vor Augen, bei dem ich beim Öffnen ähnliches vernehmen konnte. Der besteht aus
Virginias und Perique, und letzterer wird wohl dafür verantwortlich zeichnen. Das ist aber
schnell vorbei und kommt nicht wieder, denn danach riecht er nur noch nach dunklen
Virginias mit einer leicht „mostigen“ Rauchigkeit. Ich kann keine künstlichen Aromen
ausmachen, auch nicht jene, die von Konditionierungszusätzen herrühren. So ist das schön
und macht Lust, ihn in das Rauchholz zu stopfen.
Der Tabak ist durchgehend in dunkelbraun gehalten, ein geringer Anteil ist vielleicht
mittelbraun zu nennen. Der Schnitt sieht aus, als wäre der Tabak bei nicht allzu hohem
Druck verpresst, anschließend in Ribbons geschnitten und aufgelockert worden.
Hier und da sind noch Stücke mehrlagigem Tabaks zu sehen. Manche Blättchen erinnern
mich an Zigarrendeckblatt.
Der Tabak fasst sich schon etwas feuchter an, hält mir die zusammen gepresste Form zu
lange und ich werde ihn jeweils vor dem Rauchen zwischen 20 und 30 Minuten trocknen
lassen. Dann ist er am Rande von crispy, ohne zu brechen. Er hinterlässt keine Ölspuren.
Pfeife 1
Gewarnt durch die Mitglieder unseres Forums und der Angabe vom Hans, dass der Tabak
eine 5 auf seiner 6-stufigen-Powerskala bekommt, müsste ich eigentlich kleine Pfeifen aus
der Vitrine zaubern. Da der Schnitt aber fast schon Ready Rubbed-Format hat, will ich ihm
mehr Platz geben. So kommt als erste Pfeife eine Butz Choquin Big Bowl 1302 zum Einsatz
eine rustizierte Half-Bent Calabash mit mittlerem Füllvolumen. Ich habe sie ausgewählt,
weil sie eine konische Bohrung hat und so etwas Schrecken vor ihrer „Großen Schüssel“
verliert, aber genügend Raum für den leicht gepressten Tabak lässt.
Sie fast dann auch sehr moderate 2,8g. Das richtige Maß, abends nach dem Essen.
Zweimal Anfeuern, ruhen, durchstarten. Brennt gut und hat viel Körper. Er kommt mir sehr
zigarrig vor, ein erdiger Geschmack mit malzigen Tönen. Langsam geraucht schmecke
ich von Zeit zu Zeit etwas wie Kork heraus. Er ist rustkal mit vollem Rauch und bei starkem
Zug etwas grob, ohne die Zunge übermäßig zu reizen, höchstens so ein „Belag“-Gefühl.
Bei leichtem Nippen und durch die Nase ausatmen spürt man die Kraft und Unterholznoten,
die ins modrige gehen. Nach dem ersten Drittel kommt eine dunkle Fruchtnote auf, die in
Richtung Most/Gährung geht. Muss man aber im Dickicht der dunklen Malzigkeit suchen.
Er erinnert mich da ein wenig an den Royal Yacht von Dunhill, der aus Virginia mit einem
an Pflaumen erinnernden Casing versehen war. Der war auch stark und malzig und zu linear.
Der Dunkelsumpf ist da nicht ganz so schlimm, knockt mich nicht aus wie das königliche
Schiffchen, ist subtiler, aber geht auch in die Richtung. Der Kentucky ist der Global Player
und lässt nicht so viel anderes neben sich zu. Der Nachgeschmack ist laaaang, am Anfang
sehr angenehm, später zunehmend säuerlich. Gleich zu Beginn fängt es an Rachen und Kehle
etwas zu kratzen an, was über den Rauchverlauf deutlich zunimmt. Guter Nicotine-Gehalt.
Nach der Hälfte geht er mal aus und zeigt sich nach dem Wiederanfeuern deutlich strenger
und „modriger“. Er geht noch zweimal aus, die letzten 20% der Füllung sind stark,
ledrig-rauchig-würzig. Sein Ende erreicht er nach gut 1 1/4 h und lässt mich trotz gut
gefülltem Magen mit einem flauen solchen und recht hibbelig zurück.
Pfeife und Meerschaum-Filter sind nicht sonderlich feucht, die Asche ist hellgrau und
recht fein, wie so oft gibt es ein paar dickere Stücke, die nicht verbrennen wollten.
Pfeife 2
So, den kann ich jetzt über und schieß mich ab. Ich greife zur Stanwell Pipe of the Year 2003,
einer sandgestrahlten Half-Bent Billiard, man könnte es auch für einen hohen Pott halten.
Die ist von gut mittlerem Füllvolumen, da der Durchmesser zwar der gleiche ist wie bei
Pfeife 1, aber das Modell hier ist gerade gebohrt. Beim verbringen des vorgetrockneten
Tabaks bin ich ebenfalls generös und hab schlussendlich gute 3,6g drin. Möge der
Meerschaumfilter mit mir sein.
Im Großen und Ganzen habe ich sehr ähnliche Erfahrungen wie beim ersten Rauchvorgang.
Auffällig ist aber, dass der Geschmack zum Ende hin nicht ganz so streng wird und der
Rauch cremiger wirkt. Die Pfeife geht seltener aus und macht es mir einfacher. Die
vorherrschende Kentucky-Power bleibt aber bestehen. Glücklicherweise habe ich nach der
größeren Menge einen geringeren Flash, obwohl es nachmittags ist und es zu Mittag nur
ein paar Brote gab. Wahrscheinlich hilft die Tatsache, dass ich keinen
„Konzentrierungstrichter“ und statt dessen mehr Boden-Cake in der Pfeife habe.
Pfeife 3
Die Zunge wurde doch ganz gut geschont und so wage ich den Sprung auf eine filterlose
Pfeife. Die Wahl fällt auf eine Albion Full-Bent Classic von Holmer Knudsen, die ich auf
einer Pfeifenmesse von meinem Freund Peter Heinrichs vor vielen Jahren erstanden habe.
Seither wurde sie selten gezückt, jetzt ist ihre Zeit da. Mit ihrem mittleren Füllvolumen und
im Gegensatz zur Big Bowl nur leicht konisch geformten Brennkammer scheint sie mir das
rechte Versuchsobjekt. Auch bei ihr passen 2,8g hinein.
Gleich nach dem Anzünden legt sie fulminant los. Schwere Holznoten durchziehen den satten
Rauch, dessen Würzigkeit fast überbordet. Die von mir bei den anderen Pfeifen festgestellte
fruchtige Most-Note oder den Kork kann ich hinter dem Zigarren-getränkten Vorhang nicht
mehr herausschmecken. Das Aroma der Pfeife ist derart linear und stark, dass ich gar nicht
bemerke, dass schon eine Stunde vergangen ist, als sie das erste Mal ausgeht. Beim wieder
anzünden spielt der Tabak seine größte Stärke aus: seine Stärke. Hat es nach der halben
Füllung nur mal leicht gegurgelt ohne etwas in den Mundraum zu schleudern, wird es jetzt
schwieriger sie am Laufen zu halten. Nach ein paar Versuchen ist dann Schluss und mit
einer Stunde und 20 Minuten ist die Dauer von Pfeife 1 erreicht.
Etwas beduselt bin ich jetzt, das Schreiben erfordert einige Korrrektoren. Aber keine
Schweißausbrüche oder so.
Im Zapfenraum hat sich etwas Kondensat gesammelt und im unteren Teil der Pfeife gibt es
einen dunklen und nassen Teil unverbrannten Tabak. Jetzt macht der Tabak seinem Namen
Ehre…