- Offizieller Beitrag
RB Plug
Der besagte Plug kommt aus dem Lakelands zu uns. Nein, nicht aus den Staaten und auch nicht
von den Aussies, sondern aus dem englischen Kendal, welches ein Schönheitsfleck am
Hintern des South Lakeland District ist. Von hier kommt auch der Sänger der von mir
sehr geschätzten Musikantentruppe Marillion, deren Fish-Ära mir allerdings eher lag.
Sein Name, Steve Hogarth, kommt den Schätzen (für Pfeifenraucher) dieser Region schon
recht nahe, segelt er doch recht knapp vorbei. Dazu aber später…
Bei dem Plug handelt es sich um einen Virginia-Plug mit Tabaken aus Tansania, die recht
dunkel geraten sind. Sozusagen „Englisch“ ohne Latakia. Er ähnelt in Ausgangsstoffen
und Herstellung dem Full Virginia Plug/Flake, jedoch wurde hier nicht mit Aromastoffen
gegeizt. Ein Hocharomat also und das soll was für mich sein?
OK, der Ennerdale und Bob´s Chocolate Flake (auch wenn er nicht mehr so heißen darf,
damit nicht Kinder ihn versehentlich verspeisen) haben mich fest im Griff, aber dieser Plug
ist schon etwas anderes. Keine Omahandtasche, keine Zartbitterschokolade, sondern Cheviot
verpasst dem RB-Plug zusätzliche Würze. Dieses Aroma ist nach den Kollegen von
Shaun dem Schaf benannt und bezeichnet eine Rasse, die dort vor den Toren grast. Igitt, Schaf
in der Pfeife? Mitnichten, aber das Kind muss einen Namen haben. Der lautet eigentlich auch
(Robin) Redbreast und hat nix mit dem Whiskey aus Irland zu tun. Vielleicht wurde er deshalb
abgekürzt. Zurück zum Schaf: das setzt sich aus floralen, holzigen Aromen zusammen, die
durch Lebkuchen-Noten und –Gewürze unterstützt werden. Gott sei Dank, kein Schafköttelaroma…
Bevor ich mich über die Schnitte hermache, möchte ich etwas zur Geschichte von Samuel Gawith
zusammenfassen. Der geneigte Leser, der bereits gelangweilt über diesen Worten einnickt
kann auch gerne zum nächsten Post übergehen.
Die Geschichte von Samuel Gawith und Gawith & Hoggarth beginnt mit einem gewissen
Thomas Harrison aus Kendal, der nach Glasgow auszog, um die Kunst der Schnupftabak-
herstellung zu erlernen. 1792 kam er zurück in seine Heimatstadt, um mit den mitgebrachten,
40 Jahre alten Maschinen in einer alten Mühle in Mealbank seine Produktion zu beginnen.
Betrieben wurde die Mühle durch die Wasser des Flusses Mint, böse Zungen mögen
behaupten, dass dieser immer noch durch Gawith-Tabakdosen fließt.
Da er für seine Produkte einen Vertrieb benötigte, tat er sich mit dem Apotheker (heute
undenkbar) Thomas Brocklebank zusammen, der über entsprechende Verkaufsräumlichkeiten
verfügte. Harrison & Brocklebank waren geboren.
Das Geschäft von Thomas Harrison wurde nach dessen Tod von seinem Sohn fortgeführt,
Thomas Harrison Junior, der wahrscheinlich auch den Familiensitz inklusive Fabrik in der
Lowther Street 27 erwarb. Nach seinem Tode, wir schreiben das Jahr 1841, übernahm seine
ältere Tochter die Anteile an seiner Firma.
Sie hatte einen Klempner und Glaser aus Kendal geheiratet, einen gewissen Samuel Gawith.
Einige Jahre später starben nacheinander Harrisons jüngere Tochter und Thomas Brocklebank.
So fiel die Firma komplett in die Hände Samuel Gawiths. 13 Jahre später verstarb dann der
Bürger- und Tabakmeister Kendals und die Firma wurde treuhändisch von Henry Hoggarth,
John Illingworth und Samuel Gawith Junior weitergeführt. Alle drei Namen stehen für
bekannte Schnupftabak-Marken.
Das Unternehmen wurde in der Folge von Samuel Gawith (Jr.) und seinem jüngeren Bruder
John Edward geführt. 1867 ging Illingworth in die Selbstständigkeit und errichtete seine
Produktionsstätte in unmittelbarer Nachbarschaft des Kendal Brown House in der Lowther
Street.
Die beiden Brüder hatten unterschiedliche Vorstellungen von der Tabakproduktion und
trennten sich 11 Jahre später, Samuel (Jr.) behielt die Mühle, das Brown House ging an John.
Samuel (Jr.) baute sich kurzerhand sein eigenes Brown House und konzentrierte sich auf die
Produktion von Schnupftabak, während sein Bruder „Twist“-Tabake herstellte (Yummy).
Letzterer übernahm sich allerdings in seinem Expansionsdrang und dem Versuch, ebenfalls
in das Snuff-Geschäft einzusteigen, und ging in die Pleite. Samuel (Jr.) kaufte die Firma auf
und so fiel ihm auch wieder die Lowther Street zu. Beide Brüder verstarben jedoch in den
kommenden Jahren und Samuels Sohn, wie soll es anders sein, Samuel (Jr. Jr.) war gerade
mal zwei Jahre alt und bekam bestimmt keinen Tabak zum Nuckeln. Und so ging die Firma
erneut in treue Hände, und zwar in die von Mama Gawith, John Edward und William Henry
Gawith, der seinerzeit mit Henry Hoggarth das Tabakunternehmen Gawith & Hoggarth
gegründet hatte. Der nunmehr dritte Samuel übernahm dann auch erst Anfang des
20. Jahrhunderts das Unternehmen, das im ersten Weltkrieg florierte.
1920 wurde aus diesem Grund in die Sandes Avenue expandiert um die gestiegenen
Nachfrage bedienen zu können. Dort wurde dann die Maschinerie von Wasserkraft auf
elektrischen Strom umgerüstet. Derek Dakoyne-Cannon (nach dem ein Plug benannt wurde),
Samuels (Jr. Jr.) Neffe, übernahm 1929 die Geschäftsführung, Samuel ging in den Vorstand.
Ein paar Jahre später wurde noch eine Tabakmühle südlich von Penrith dazugekauft, doch
im zweiten Weltkrieg stagnierte der Schnupftabakverkauf und es wurde mehr Rauchtabak
benötigt. Kurzerhand wurde die letzte Errungenschaft geschlossen und das Kendal Brown House
erweitert und die Tabakproduktion dort konzentriert. Die Mühlen wurden modernisiert und
die Schnupftabakproduktion zurückverlegt.
Acht Jahre nach dem Krieg starb Samuel Gawith (Jr. Jr.) und seine Witwe wurde Vorstands-
vorsitzende. Geschäftsführer Derek Dakoyne-Cannon starb 1961, seine Witwe wurde dann
Vorsitzende des Verwaltungsrates. Wilfred Lloyd (?) übernahm seine Position, auf der er
1979 von Doug Harris gefolgt wurde. Dieser war seit 44 Jahren im Unternehmen und kannte
jeden Handgriff in der Produktion. Endlich durfte mal einer in Ruhestand gehen und so
übergab er das Zepter Anfang der 90er an Graham Forrest. Letzterer nahm seinen Tabakmeister
Bob Gregory unter seine Fittiche und beförderte ihn in die Geschäftsführung.
2015 kündigte jener Bob an, dass die Häuser „Samuel Gawith“ und „Gawith & Hoggarth“
fusionieren würden. Somit ziehe SG in die größere Fabrik von GH und nach 150 Jahren
würden die Firmen der Brüder wieder zusammengeführt. Das legendäre Kendal Brown House
wird zu einem Schnupftabak-Museum umgebaut.