Samuel Gawith - Kendal Plug

    • Offizieller Beitrag

    Samuel Gawith

    Kendal Plug


    „Des Tabaks Pressung zieht mich an,

    doch muss zu meinem Wort ich stehn

    und Meilen gehen bevor ich schlafen kann…“

    So frei nach Robert Frosts Gedicht aus seinem Winterwaldwanderungs-Band,
    bekannt aus dem Film „Telefon“ mit Charles Bronson, ist meine Faszination
    für Plugs zu verstehen. Sehe ich einen, läuft das Wasser im Rauchschlot zusammen,
    die Augen glitzern, die Finger bestellen.

    Genauso ist es zum Erwerb dieses Tabaks gekommen, der den Ennerdale und Bob’s
    Chocolate Flake auf den Weg zu den heimischen Lagerstätten begleiten durfte.
    Samuel Gawith sagt über diesen Plug etwas wie:

    „Ein Plug, die Grundlage des Best Brown, Virginias gemischt und gepresst und sonst
    nichts. Mittlere Stärke. Ein Favorit für Pfeifenraucher, die einen mittelstarken, sanften
    und langsam brennenden Tabak suchen. Kendal Plug wird aus handgestrippten, flue
    cured Virginias ohne Zusatz von Aromen hergestellt und belohnt mit einem kühlen,
    süßen Rauch mit einem köstlichen Aroma und einem guten Zug- und Brandverhalten.“

    Hört sich naturnah, süßlich, zungenfreundlich, urig Lakeland-isch an. Also nicht lang
    fackeln, sondern anfackeln…


    Tabakbild

    Der Tabak-Block kommt nicht als 50g-Häppchen, sondern im 2 Unzen-Gewicht zu mir,
    was ein Plus von 7g bedeutet. Keine Angst überschüssiges Material wird stückweise
    verbrannt. Er ist etwas unförmig geschnitten, die Dicke der Platte ist wohl fix und beträgt
    27mm, also ein gutes Inch. Davon wurden ca. 50 x 40mm zugeschnitten.

    Die hellen- bis mittelbraunen Tabakblätter wurden wellenartig übereinander verpresst, was
    ein schönes „flame grain“ erzeugt. Ja wirklich, erinnert mich ein wenig an das Äußere
    eines Rauchholzes. Selbst „Bird Eyes“ sind ´ne Menge zu sehen, da wurde beim Hand
    Strippen wohl einiges an Adern übrig gelassen.

    Der Tabak verströmt einen feinen grasig-heuigen Geruch, vom vielerorts gefürchteten
    Lakeland-Aroma ist nun wirklich überhaupt nichts zu riechen, eher moderige Süße von
    Grasschnitt im Sommer, wenn die Feuchtigkeit abgezogen ist. Der Plug fühlt sich erstaunlich
    trocken an, obwohl er gerademal acht Monate im Schnappdeckelgläschen auf seine
    Einäscherung wartet. Beim Schneiden auf dem Biltong-Schafott bricht er in zwei Lagen
    auseinander, trotz vorsichtiger Vorgehensweise und sehr dünnen Scheibchen. Diese fallen
    auch schnell in feine Fasern auseinander, also Kleber ist auch nicht. Er ist ähnlich trocken wie
    der vor Kurzem getestete Mallard Flake, vielleicht etwas feuchter. Insgesamt ähnlich einem
    Weinkorken, wenn die Flasche leer ist.


    Pfeife 1

    Links Pfeife 1: Peterson Dublin A1 Mitte Pfeife 2: VAUEN New York Sand 527 Rechts Pfeife 3: Albion Full Bent

    Bei Plugs nehme ich auf Grund der hohen Tabakdichte gerne kleinere Pfeifen, die trotz
    geringem Volumen eine angenehme Rauchdauer garantieren. Damit fange ich auch beim
    Kendal Plug an. Die Peterson Dublin A1 hat (neben einem zeitweise unangenehmen
    Silber-Ranzgeruch) einen Hubraum von 6,5cm³, also eher kleineres Volumen mit 18mm
    Bohrweite. Da kommen die zwei ersten, eher grob geschnittenen Flakes hinein. Die bringen
    es auf 3,2g. Die von mir präferierte Knick/Falt-Methode ist leider nicht möglich. Nicht
    nur die kleinere Pfeife hat was dagegen, der Tabak zerfällt beim Handling gleich in einzelne
    Fasern. Die kommen recht fest gepresst in den Kopf, der Zug bleibt trotzdem recht leicht
    trotz dem Meerschaumfilter, was wahrscheinlich am gröberen Schnitt liegt. Randvoll
    gefüllt bäumt er sich mehrmals gewaltig auf als es losgeht. Er nimmt die Flamme für einen
    Plug sehr schnell an und brennt gut.
    Im Rauch ist er heuig, nein, eher strohig auf trockener, sandiger Sommererde. Er ist süß und
    mild im Geschmack, wobei die Süße überhaupt nicht künstlich rüberkommt, wiederum
    ähnlich den Virginias im Mallard Flake, doch ohne dessen Bitternoten am Gaumen und
    mit deutlich mehr Körper. Bei stärkerem Zug ergibt sich ein heißerer, cremiger
    Strohgeschmack ohne scharf zu werden oder zu beißen. Nach 10 Minuten will er nicht
    mehr so recht und brennt unregelmäßig. Man muss ihn beschäftigen um ihn am Brennen
    zu halten und auf der Glut bildet sich richtig weiße Asche. Nach einer halben Stunde
    sind die Mätzchen vorbei und er ist eingeritten, brennt gleichmäßig und wird erdiger,
    etwas zedrig, aber stets süß, kein Lakeland- oder sonstiges Aroma feststellbar.
    Noch zweimal nachzünden und nach ein ein Viertel Stunde ist er fort. Brennt fix. Übrig
    bleibt feine hellgraue Asche. Der Geschmack war relativ gleichförmig über den Rauchverlauf
    hinweg, wobei er etwas erdiger und holziger wurde. Aber stets sehr angenehm. Die
    Zunge ist nur leicht gereizt.

    Die Pfeife war nur wenig verschmutzt, der Filter nur leicht feucht.


    Pfeife 2

    Die kleinere Pfeife war sehr angenehm, mal sehen, was eine mit kleinem Volumen für
    mich parat hält. Die Wahl fällt auf eine Straight Billiard im Mini-Format, die VAUEN
    New York Sand 527, wieder bestückt mit dem Meerschaumfilter. In das 5,5cm³ kleine
    Pfeifenköpfchen passen diesmal 3,4g mit etwas Gewalt, mea culpa + . Der Zug ist
    erwartungsgemäß recht straff ☹. Doch nachdem er brennt, ist er so cremig süß wie
    beim ersten Durchgang, auch wenn da ein Krümel in der Tröte den Zug behindert.
    Erstaunlicherweise ist er jetzt noch zungenfreundlicher. Nach 20 Minuten brennt er
    immer noch gut, aber der Zug wird immer schlechter und die Piepe gibt nur wenig
    Rauch ab. Nach der Räumung des Rauchkanals ist der Zug endlich leicht und nach
    40 Minuten brennt sie vorzüglich und zieht wunderbar. Vom Geschmack her wie
    Pfeife 1 und nach einer Stunde und 25 Minuten wird das Köpfchen heiß, der Rauch
    aber nicht scharf und die Pfeife quittiert den Dienst. Es bleibt wieder feine weiße
    Asche, aber diesmal mit ein wenig verkohltem Material. Zu fest gestopft.


    Pfeife 3

    Die dritte Pfeife muss jetzt wieder ohne Filter auskommen und in diesem Fall eine
    gebogene sein. Die Albion Full Bent ist auch einen ganzen Batzen größer und fällt
    mit 8cm³ knapp mittel aus. 4,1g faseriges Material werden kräftig in das Holz gedreht.
    Langsam glaube ich, kleine Pfeifen genügen meiner Tabak-Gier einfach nicht, aber
    die eigentlich positiven Erfahrungen der letzten Pfeife treiben mich dazu.
    Sicherheitshalber habe ich diesmal den Pfeifenreiniger beim Stopfen drin gelassen
    um nicht wieder den Rauchkanal zu blockieren. Der leichte, aber nicht widerstandslose
    Zug nimmt beim Anzünden merklich an Kraft zu. So ohne Filter schmeckt er gleich
    viel rauchiger, grasiger, säuerlicher. Nach fünf Minuten sind Glut und Asche gut verteilt
    und eine gewisse Schärfe macht sich unter der Zunge und an ihren Flanken bemerkbar.
    Es vergeht eine weitere Viertelstunde bis der Zug echt schwierig wird, es gurgelt und
    es kommt nur wenig Rauch aus der Pfeife. Jetzt beißt er schon deutlich in meine Zunge
    und ich bin erst eine halbe Stunde dran. Nach insgesamt einer Dreiviertel Stunde wird
    er wieder etwas gesitteter und süßer und bleibt in diesem Zustand bis zum Ende nach
    einer Stunde und 50 Minuten. Voraussetzung dafür war aber auch regelmäßiges
    Nachzünden und ein einmaliges Abkippen der Asche. Zurück bleibt ein Nasenschweiß-
    treibender Zungenbrand und ein unverbrannter, feuchter Tabakklumpen („Dottel“ sagt
    der Pease). Alles in einem keine schöne Vorstellung aus Kendal.


    Pfeife 4

    Das wollte ich so nicht auf der oFi-Fraktion sitzen lassen und greife noch zur Biermann
    Straight Billiard, vielleicht war die Krümmung das Problem. Dieses Rauchholz bietet
    außerdem mit 11,5cm³ ein größeres Volumen bei großzügiger 22mm-Bohrung. Take
    this, Kendal! Ganz brav wandert hier fast die gleiche Menge Tabak rein wie bei der
    anderen oFi, nämlich 4g. Entsprechend locker sind Stopfung und Zug. Nach dem Start
    gebe ich Gas, um den Rauch dicht zu kriegen, dabei wird er heiß und scharf, beißt in
    die Zunge. Nach einer Viertel Stunde (da steckt System hinter) wird der Zug fester
    und der dünne Rauch gibt wenig Geschmack ab. Ich lasse den Pfeifenreiniger reisen
    und siehe da, guter Zug, guter Geschmack, weniger Zungenping. Der Geschmack ist
    nicht so subtil wie mit Filter, aber rauchig-kräftiger auf gleichem Level wie die Süße.
    So brennt er aber immerhin zwei Stunden und 20 Minuten, ist sehr gefällig und die
    Zunge nicht so schlimm angegriffen. Pfeife und Asche sind staubtrocken und alles
    verbrannt, was verbrennen kann. Pfeife ist aber noch da…


    Pfeife 5

    Der Weg erschien mir jetzt schon der richtige, Straight, größer, weiter. Allein die Mittel
    scheinen noch nicht geeignet. Also reduziere ich die Tabakmenge etwas, trockne ihn
    sogar noch weiter auf und stopfe ihn erneut in die Biermann (für die „Haar in der Suppe“-
    Sucher sei erwähnt, dass seit der letzten Verfeuerung eine Woche vergangen ist). Ich
    nehme die rund 3,6g Tabak und knicke und falte und brösel ihn in den Kopf. Er ist so
    sehr spröde und zerplatzt beim Knicken wie ein Paket Spaghetti. Die Brösel kommen
    obenauf. Die Füllung ist leicht und locker, der Zug hat kaum Widerstand.

    Er nimmt das Feuer willig an und entwickelt gleich eine leicht rauchige Süße. Er bäumt
    sich förmlich der Flamme entgegen. Nach kurzer Wartezeit beruhigt er sich und glimmt
    dann freundlich vor sich hin. Der Rauch beißt nicht mehr so in die Zunge, die Süße kommt
    besser hervor, besonders körperreich präsentiert er sich aber auch nicht. Auffallend ist,
    dass er bedeutend weniger Pflege braucht, d.h. weniger Nachfeuern, Glätten, den
    Pfeifenreiniger muss ich nur einmal nach einer halben Stunde auf die Reise schicken.
    Die Pfeife bleibt auch kühl und der Rauch nicht so feucht-heiß.

    Zum Ende hin wird er wieder etwas holzig und nach einer Stunde und 50 Minuten ist er in
    Rauch aufgegangen. Damit brennt er trockener was fixer, gibt aber auch mehr Rauch ab.
    Die Asche ist was dunkler und kleine Anteile unverbrannten Tabaks purzeln aus dem

    Kopf. Die Pfeife aber ist trocken wie die Wüste Grobi…


    Resümee

    Wow, ein Lakeland-Tabak, der weder nach Rasier/Kräuterwasser schmeckt und nicht im
    eigenen Saft schwimmt, wer hätte das gedacht? Da hört es aber auch auf. Mit Filter
    schmeckt er mir besser in kleinen Pfeifen. Da spielt er seine Stärken aus ohne die Zunge
    großartig zu reizen. Er schmeckt süß, sehr natürlich sehr süß, seine leichte strohige
    Textur macht ihn zu einem schönen Sommer-Plug. Ohne Filter beißt er deutlich in die
    Zunge und zeigt sich rauchiger, was andere aber auch besser können. Dafür geht die
    Süße was verloren. Ohne Filter kommt er mir gerade mittelstark vor, mit noch
    eine Ecke darunter. Die Raumnote ist (für mich sowieso) angenehm, Tabak im süßen
    Kleidchen. Schön, dass ich ihn habe und ich werde ihn im Sommer im Garten genießen,
    Nachschub brauche ich nicht von ihm, da bin ich eher auf der Full Virginia Flake-Side of
    Life. Alle die ihn testen wollen, können wohl besser auf den Best Brown aus gleichem
    Hause zurückgreifen. In der geschnittenen Version zeigt er mehr Körper.


    Bewertung:

    Geschmacksintensität:  Laue Luft / Nett, aber dünn / Ausgeglichen / Dicht / Überwältigend

    Nicotin-Punch:                Cola / Milchkaffee / Schwarzer Tee / Doppelter Espresso / Kaffeeinstantpulver mit dem Suppenlöffel

    Aromatisierung:             Taschentuch unparfümiert / Frisch gewaschene Wäsche / Kuchen im Backofen / Duftbaum / Teermaschine

    Raumnote:                       Blümchen / Neue Ledergarnitur / Tabakfabrik / Wohnzimmer-Lagerfeuer / Scheidung

    Zungenaggressivität:    Glas Milch / Prickeln / kurzer Zungenstress / langzeitiger Zungenstress / kurzer Zungenbrand (oFi) / langzeitiger Zungenbrand

    Empfehlung:                   Besser nicht probieren / Kann man probieren / Sollte man probieren / Muss man probieren / Wer nicht probiert ist selber schuld


    „Trust me. I´m the leading expert on my own opinion.”

    "Every morning I wake up thinking, 'Good, another 24 hours of smoking'"

    - J.R.R. Tolkien - 1966 -