- Offizieller Beitrag
Black Parrot (Special Cut)
Virginia-Tabake mit Perique sind seit jeher mein Fachgebiet. Seh ich was Neues, muss
ich gleich mal zupacken und ausprobieren. Diesmal ist dieser Tabak allerdings etwas
zufällig bei mir eingetrudelt. Als Geburtstagsgeschenk wurde einem meiner Familien-
mitglieder statt eines meiner nicht vorhandenen Stammkräuter dieser Broken Flake
angedreht. Gefreut habe ich mich natürlich trotzdem und war neugierig auf die mir
unbekannte Mischung.
Der Tabak kommt in der typischen hohen Blechdose von Kohlhase und Kopp, die man
vor allem von den vielen Produkten ihrer britischen Rattray’s Kollektion kennt.
Folgendes lassen sie zu der Mischung verlauten:
„Ein beliebter, einzigartiger Broken Flake aus dunklen Viginia-Tabaken und reinem
Louisiana Perique mit einem vollmundigen Aroma.“
Hört sich gut an. Die Stärke geben sie mit 4 von 5 an, die Aromatisierung mit 0. Ich
weiß nicht, was sie bei der Raumnote mit 2/5 meinen, aber prinzipiell soll der Tabak
von englischem Schlag ohne Latakia sein. Pfeifen Huber haben da ihre eigenen
Vorstellungen und geben die Stärke mit 3/5 und die Raumnote als würzig/voll an.
Besonders interessant finde ich, dass sie ihn als leicht aromatisiert (1/5) bezeichnen.
Was also jetzt? Finden wir es heraus.
Tabakbild
Die Dose ist mit dem üblichen Aufreißdeckel unter der alles andere als dichten
Plastikkappe versehen und bietet dem Angreifer wenig Gegenwehr. Aus der Dose schießt
mir ein schon fast in der Nase stechender Essig/Tomaten-Geruch entgegen, der häufig
als „ketchupy“ bezeichnet wird und vor dem geistigen Augen Berge von fermentierten
Red Virginias auftauchen lässt. Alles nur Kopfkino, wenden wir uns dem Greifbaren
zu: Der Broken Flake erscheint mir eher wie ein Ready Rubbed, auch wenn es schon mal
ein paar Lagen mehr an dem ein oder anderen Stück gibt, ähnlich den Rattray’s. Die
Farbe ist recht homogen mittelbraun mit leicht rötlichem Touch.
Ich fülle den Inhalt der Dose sofort in ein Glas um, mit den Kappen habe ich eindeutig
schlechte Erfahrungen gemacht. Im Glas stellt sich eine relative Feuchte von 78% ein,
was recht hoch ist. Der Eindruck wird durch die pappige Konsistenz des Tabaks gestützt,
man kann ihn formen wie man will und er bleibt so. Der Geruch aus dem Glas ist jetzt
Roggenbrotkruste ähnlich, mit Zuckerrübenkraut.
Pfeife 1 (a&b)
Von links nach rechts: Pfeife 3: BB&S Londoner 5579 Pfeife 1: Peterson St. Patrick’s Day 2010 XL90
Pfeife 2: Stanwell Featherweight 305 Pfeife 4: Rattray’s Helmet 139
Als erstes Rauchholz dient mir meine VaPe-Standardpfeife mit gut mittlerem Volumen (10,5cm³)
in gebogener Form, der Peterson St. Patrick’s Day 2010 XL90. Hinein kommt eine „Wurst“ Tabak,
getoppt von einem „Ball“ des reichlich feuchten Materials, insgesamt 4,3g. Der Tabak nimmt das
Feuer erstaunlich gut an für seine Feuchte. Der Rauch ist dicht und leicht süßlich, mit essigsaurer
Grasigkeit. Die Asche muss regelmäßig angepasst werden. Bei heißem Rauchen, wozu es schnell
kommt, wird der saure Charakter ausgeprägter. Kondensat-bedingt wird der Zug nach 20 Minuten
fester und zur fermentierten Note kommt etwas Pfeffer. Doch plötzlich kommen Kondensat-Geräusche
auf undnochmal 20 Minuten später legt der Fermentationsgeschmack spürbar zu. Nach einer Stunde zischt
und gurgelt es in der Pfeife und der Rauch ist Wasserdampf-gesättigt. Die Stärke nimmt von etwas
unter Medium zu, überschreitet mittel aber nicht. Insgesamt dauert es eine Stunde und 36 Minuten bis
die Pfeife zu Ende „gedampft“ ist und ihr Geheimnis offenbart: Ich hatte den Meerschaum-Filter
vergessen und in der Kammer hatte ich Kondensat niedergeschlagen. Dafür ist er aber zungenfreundlich.
Nutzt nix, das Ganze nochmal, diesmal mit Filter. Allerdings lasse ich das Glas für zwei Tage komplett
offen stehen und die Luftfeuchte fällt auf 75%. Das sagt nicht viel aus, aber die Greifprobe zeigt
schonmal eine wesentliche Verbesserung. Der tomatige Geruch ist jetzt allerdings weg, es bleibt
Heu mit dunklen Trockenfrüchten und süßer Paprika. Ich packe diesmal mit 3,9g etwas weniger
hinein, mehr geht irgendwie nicht. Nach dem Anzünden schmecke ich vom Paprika nichts, wohl aber
den Rest. Jetzt etwas trockener brennt er noch eine Ecke heißer. Ich nehme kurze, häufigere Züge,
was ihn süßer macht, allerdings noch heißer. Die holzige Pfeffrigkeit nimmt im Rauchverlauf
linear zu, ohne besonders prägnant zu sein. Die Pfeife quitiert den Dienst nach einer Stunde und
35 Minuten, übrig bleibt eine puderige hellgraue Asche. Fast zu 100% ist das Kraut verbrannt,
hinterlässt eine trockene Pfeife, einen gut feuchten Filter mit anständiger Verfärbung, die Reinigung
ist allerdings nix für Schmutzfinken.
Die Stanwell Featherweight 305 ist eine kleine Straight Billiard (7cm³) und darf als
nächstes ran. Trotz ihrer Größe (Kleine sagt man ja nicht) hat sie eine Kammer für
den Meerschaumfilter. Doch große Änderungen gegenüber Pfeife 1 ist nicht erkennbar,
sieht man davon ab, dass der „Vorbesetzer“, die DDLNRs, am Anfang ein Wörtchen
mitreden. Auch diesmal wird die Pfeife recht warm und gegen Ende streng holzig.
Nachzünden ist wieder nur ab und zu nötig. Gebrannt haben die 2,6g eine Stunde und
9 Minuten. Am Ende bleibt wieder fast nur Asche übrig.
Pfeife 3
muss bei aller Zungenfreundlichkeit eine oFi sein und da kommt die DDLNRs-oFi
BB&S Londoner 5579 zum Einsatz. Bei dem langen Holm wird das sicher eine kühle
Angelegenheit. Wie bei der Peterson gehen 3,8g in die 9,5cm³-mittlere Brennkammer.
Ist schon recht fest angedrückt, aber der Zug ist gut. Wie ich es schon häufiger festgestellt
habe ist der Geschmack vom Start weg ausdrucksstärker, in diesem Fall auch süßer.
Nach einigen Zügen steigt der Widerstand leicht an, ist genau richtig, doch etwas
bittersüßes kleidet den Mund aus und bleibt als Nachgeschmack zurück.
Nach zehn Minuten setzt sich die holzige Note durch, der Rauch wird dünner, die
Pfeife heißer. Ich warte noch etwas ab, bis ich erste Tröpfchen Tabaksaft in den Mund
bekomme und der Pfeifenreiniger durch die Rinne saust. Danach wird die Pfeife wieder
sehr heiß, der Geschmack ist aber wieder da. Eine dreiviertel Stunde ist rum und mir
fehlt die Heuigkeit, sie wird von der holzigen Süße überdeckt. Im letzten Drittel läuft
sie ganz geschmeidig nach ein paar Zicken und ist nicht mehr so heiß, was mir bei den
anderen Pfeifen auch bereits aufgefallen war. Ein paarmal noch den Pfeifenreiniger,
Nachstopfen und -feuern und vorbei ist das Ganze nach einer Stunde und 43 Minuten.
Diesmal gibt es aber jede Menge vollgesogenen Tabak am Pfeifenboden. Dabei rauchte
sie sich gar nicht schlecht und recht zungenfreundlich.
Pfeife 4
Die Rattray’s Helmet 139 darf noch ran, ihr mittleres Volumen von 10cm³ korrespondiert
ganz gut mit dem der Peterson. Nur dass wir es hier mit einer Straight Billiard zu tun haben.
Sie startet sogar süßer als oFi, doch man merkt, dass der Tabak an sich den Geschmack
filtert, der teilweise „grün“ herüberkommt. Er knickt auch wieder so ein nach kurzer Zeit
und heizt den Kopf auf. Er braucht einfach eine halbe Stunde, bis er richtig in Fahrt kommt.
Dabei brennt er recht ordentlich. Nach einer Stunde ist sie mal aus, brennt danach gut durch
bis zum Ende nach anderthalb Stunden. Diesmal bleiben wenige unverbrannte Stücke, der
Filter ist wieder gut verfärbt, aber nicht sonderlich nass.
Resümee
Früher hieß er mal Ashton, bevor K&K ihn in die Robert McConnell-Familie holte. In den
Staaten ist die Ashton-Version wohl früher von McClelland hergestellt worden, die gerne
mit Red Virginias gearbeitet haben, was bei der Fermentation diese Ketchup-artige Note
erzeugt. Für meinen Geschmack ist dieser Effekt bei der heutigen McConnell-Version eher
in einer leichten Aromatisierung zu finden, da stimme ich mit Huber überein.
Denn ich habe den Tabak auch frisch aus der Dose geraucht und da war mir das auch
angenehm aufgefallen. Doch nach der Trocknung ist der Geschmack vollständig verflogen,
was man auch am Kaltgeruch merkt. Frisch ist er zum Anbeißen, auf Rauchbarkeit
konditioniert wird er etwas fad. Seine Stärke liegt etwas unter mittel, bei großen Pfeifen
schraubt er sich auf dieses Niveau hoch. Der Geschmack kommt jetzt nicht mehr über
Heu, Holz mit pfeffriger Note hinaus, wobei sich letzteres im letzten Drittel, in dem er
dann von Zicken befreit glimmt, zum Ende hin steigert.
Meine Zunge hat er geschont, selbst beim oFi-Rauchen. Ich fand ihn aber in der Peterson
Fullbent mit Filter am besten. Die Raumluft ist für mich anschließend OK, meine Frau
mochte das gar nicht.
Das Stopfen geht leicht von der Hand, er ist kaum zu dicht zu packen, aufrubbeln nicht
nötig. Feuer nimmt er leicht an und bäumt sich nicht zu sehr auf. Das sind aber schon die
einzigen Gemeinsamkeiten mit den britischen Rattray’s. In die Reihe Brown Clunee,
Old Gowrie und Hal O‘ the Wynd würde ich ihn noch vor den Clunee setzen, was
Geschmacksintensität und Stärke angeht. Dafür kostet er mit 21,60€ gleich 2,10€ für 100g
mehr als diese. Auf die zwei Klunker kommt es mir nicht an, doch geschmacklich sind
sie es mir nicht wert. Manchmal erinnert er mich an der Kontor Tabak Nr. 33, allerdings
mit Pfeffer und weniger Süße. Nehme ich auch lieber. Den hier werde ich zum Einrauchen
weiterverwenden, auch bei seinem ersten, heißen Drittel. Das ist schon der richtige Einrauch-
tabak für Brian Levine vom smoking pipes magazine, der seine Pfeifen alle erstmal
apokalyptisch heiß durchheizt.
Bewertung:
Geschmacksintensität: Laue Luft / Nett, aber dünn / Ausgeglichen / Dicht / Überwältigend
Nicotin-Punch: Cola / Milchkaffee / Schwarzer Tee / Doppelter Espresso / Kaffeeinstantpulver mit dem Suppenlöffel
Aromatisierung: Taschentuch unparfümiert / Frisch gewaschene Wäsche / Kuchen im Backofen / Duftbaum / Teermaschine
Raumnote: Blümchen / Neue Ledergarnitur / Tabakfabrik / Wohnzimmer-Lagerfeuer / Scheidung
Zungenaggressivität: Glas Milch / Prickeln / kurzer Zungenstress / langzeitiger Zungenstress / kurzer Zungenbrand / langzeitiger Zungenbrand
Empfehlung: Besser nicht probieren / Kann man probieren / Sollte man probieren / Muss man probieren / Wer nicht probiert ist selber schuld
„Trust me. I´m the leading expert on my own opinion.”