Hallo zusammen,
nachdem ich nun bereits zwei der drei Münchner Spezereien vorgestellt habe, kommt hier nun das Sahnehäubchen, das zwar auch aus München gekommen ist, aber vorher noch ein großes blaues Meer überqueren musste.
Dei Rede ist von den Bengal Slices
Diesen Tabak gab es als Mixture bis in die späten 90er Jahre auch in Deutschland zu kaufen, aus Gründen, die ich nicht nachvollziehen kann, ist dieser Tabak bei uns aber verschwunden. Das vollkommen skurrile an der Sache ist, dass laut Aussage der Homepage von Iwan Ries in Chicago, der der Tabak vertreibt, der Tabak aus Deutschland kommt!!
Wie dem auch sei, meines Wissens gab es den bei uns nur im 50gr. Pouch. Ich habe schöne Erinnerungen daran, denn das war mein erster Tabak, in den ich mich quasi um seiner selbst Willen verliebt habe, und nun hat ein sehr netter Mensch aus München, dessen Connections bis zu den Quellen dieser Köstlichkeit reichen, mir ein Döschen angeboten, wie hätte ich da nein sagen sollen.
So ist nun der Tag, wo ich mir die Zeit nehmen möchte, ihn zu kosten und auch was dazu zu schreiben.
Auch hierzu scheint mir ein Guinness die richtige Wahl zu sein, warum,darauf komme ich später zurück. Dazu gibt Bach mit Mullova auf die Ohren, es kann also losgehen.
Der Tabak kommt in der üblichen 50gr. Drehdeckeldose daher, also keine Sorge hinsichtlich Vakuumverlust oder ähnlichem.
Schon nach dem Öffnen strömt aus der Dose ein sehr schöner, fast lieblicher Duft. Eine ganz leichte, aber deutliche Süße ist sofort feststellbar. Geht man mit der Nase direkt an den Tabak ran, tritt sie in den Hintergrund und leicht erdige Töne sind wahrnehmbar. Der Tabak riecht recht natürlich, nichts könnte man als dominant bezeichnen. Der Latakia ist da, direkt daneben der Orient, und noch irgendwas, Schwarzbrot wäre zuviel, aber in die Richtung geht es. Und immer schwirrt dazwischen diese leichte Süße des Black Cavendishs herum. Das alles ist stimmig, rund.
Das Tabakbild ist durchmischt, schwarz bis hellbraun, es ist ein Crumble Cake, also keine dünnen, feste Flakescheiben, sondern ca. 5 mm dicke Streifen, ca. 3 cm breit. Diese sind nicht bröckelig, eher feucht, und beim Aufrubbeln muss man schon ein wenig mehr tun, als nur ein bisschen zu reiben. Vorher zu Zupfen erleichtert die Sache. Oder man schneidet sich Würfelchen, das ginge auch.
Der Tabak ist recht feucht, aus diesem Grund habe ich die Bröckelchen mal sehr vorsichtig in die Pfeife getan, nicht gestopft, sondern mit ausreichend Platz, es ist ja im weitesten Sinne doch ein Flake, und der dehnt sich ja gerne noch aus. Bereits jetzt sei angemerkt, dass diese Entscheidung scheinbar die richtig war, denn der Tabak brennt bislang ausgezeichnet.
Als Testpfeife kam die Peterson St. Patrick-Day 2017 zum Einsatz, eine Bulldog mit 22er Bohrung
Nachdem nun der Tabak in die Pfeife appliziert wurde und das eine doch etwas unebene Oberfläche war, habe ich noch ein paar Krümelchen abgebrochen und oben draufgebröselt. Könnte helfen und es half. Nota bene: ich habe den Kopf nur zu ca. 3/4 voll gemacht, weil Cake eh länger brennt. Vorweg genommen ist zu sagen, dass das nicht geschadet hat.
Der Tabak nahm recht willig die Flamme an, es dauerte zwar ein bisschen, bis das richtig in Fahrt kam, ging aber. Dann den Tabak noch leicht angerückt, aber nur ganz vorsichtig, zu groß war die Sorge, ihn zu verpappen. Aber als er brannte, brannte er.
Schon die ersten Züge waren ein Gedicht. Fast genauso wie in der Nase, diese feine Süße, die gleich am Anfang ganz im Hintergrund auftauchte. Die Eheliebste hat gleich mal das Näschen durch die Tür gesteckt und mit einem leichten Lächeln ihre Zustimmung signalisiert, mit den Worten: oh, der ist ein bisschen süßlich, gut...
Nicht nur in der Odalisken Nase auch in des Prüfers kritischem Mund fand der Tabak uneingeschränktes Wohlwollen. Der Tabak schmeckt so, wie er riecht. Der Latakia und der Orient sind natürlich im Rauch schon etwas stärker als in der Nase, aber im Gesamten treten sie nicht zu sehr hervor. Kräftig, aber nicht wuchtig. Der BC ist dafür deutlich schmeckbar, ein schönes Sahnehäubchen auf dem Espresso.
Jetzt brennt der Tabak bereits 45 Minuten, einmal habe ich nachgezündet, ansonsten brennt er sehr gleichmäßig ab, einen Hang zum Heißwerden kann ich nicht feststellen, aber wenn man dem Cake genug Raum läßt, ist das eh nicht zu befürchten. Folglich gibt es auch zum Thema Kondensat nichts zu berichten, es ist keines da, jedenfalls keines, das ich bemerken würde.
Wie ich eingangs zum begleitenden Getränk das Guinness erwähnt hatte, nehme ich den Faden nochmal auf, denn der Tabak ist dem Guinness sehr ähnlich. An sich von kräftigem Geschmack, aber mit einer cremigen Note und ein bisschen mit Süße.
Die Bengal Slices sind eine sehr runde Mischung, auf der Zunge sehr weich und nicht beißend, Schärfe ist keine auszumachen.
Sie brennen sehr langsam runter, wenn man sie läßt, kleine, kürzere Züge sind obligatorisch. Ich denke, etwas flachere Pfeifen mit einer breiteren Bohrung kommen der Geschmacksbildung sehr entgegen.
Man muss sich halt zu Beginn ein wenig Mühe machen, die Streifchen vorzubereiten, aber es lohnt sich auf jeden Fall, und soviel Aufwand ist es nicht.
Ich weiß jetzt natürlich nicht sicher, ob dieser Tabak noch genauso schmeckt, wie zu der Zeit, als ich ihn, noch zu Beginn meiner Pfeifenraucherlaufbahn kennengelernt habe, und die Erinnerung gaukelt einem doch schnell was vor, aber heute glaube ich sagen zu können, dass der Tabak noch so schmeckt, wie ich mich an ihn erinnere. Weich, würzig, leicht süß und sehr angenehm in der Raumnote.
Leider ist er in Deutschland nicht mehr zu haben, aber wer sich die Reise in die USA antut, sollte ihn mitbringen, wenn nicht für sich, dann eben für mich.
Gruß Jens