- Offizieller Beitrag
Peter Heinrichs
Special Selection Curly
Es gibt ja so manche Darreichungsformen von Pfeifentabaken. Normalerweise steigt man mit einer nicht allzu feinen oder groben Mixture an, meist aromatisiert. Von Flakes wird dem Einsteiger stets abgeraten, deren Handhabung sei zu besonders. Auch eignen diese sich nicht besonders gut zum Einrauchen einer Pfeife. Hat der Anfänger erst die ersten Schritte mit schrecklichen Aromaten nebst Zungenbrand überstanden und hat die Lust noch nicht verloren, nein, ist gefangen von der Faszination der Pfeife, beginnt seine Jagd auf alles was qualmt. Es gibt einfach zu viel zu entdecken. Der nächste Schritt sind häufig die unaromatisierte Tabake und so kommt man unweigerlich zu den Flakes. Hat man sich an diese gewöhnt und sie lieben gelernt, fällt der Blick auf den Flake am Stück, den Plug, und sogenannte Twists, in Stränge gerollter Tabak, der früher verbreiteter war als heute, „armer Seemanns Tobak“. Heute wird nach solchen Spezialitäten gelechzt, nur wenige produzieren sie. Das treibt den Preis in die Höhe, wie man am Preis der Nonnen sehen kann. Bei diesen handelt es sich um geschnittene Twists, die Curlies, kleine, runde Tabak-Scheiben.
Die PH Spec. Selection Curlies sind ein Verteter der unaromatisierten Tabake und werden ausschließlich in der Bulk-Vepackung zu 250g an den Mann/die Frau gebracht. Mit 35,20€ für die 250 200g-Tonne (rund 7 8,8€/50g) sind die ein Schnapperl, aber die Menge schreckt ab.
Daher war ich sehr froh, dass mir Michael eine wirklich großzügige Probe von fast 25g hat zukommen lassen. Danke noch mal dafür. Als Aufbewahrungsbehälter muss jetzt die just aufgebrauchte Hamborger Veermaster-Dose herhalten.
PH stellt keine Tabake her und kauft eher Hausmischungen bei oder lässt sie sich in bestimmter Form herstellen. So soll dieser Tabak laut Steuernummer von Kohlhase und Kopp hergestellt worden sein (Danke an Mats). Mmh, die machen Curlies? Wäre mir neu…
Die sehr trockene Prosa von der Webseite lautet:
„Eine ausbalancierte Mixture der besten Tabake, zum Strang gerollt und in kleine runde Scheiben geschnitten. Der Curly setzt sich aus Virginia Tabaken (Süd- und Nordamerika, sowie Afrika) und Perique aus Louisiana zusammen.“
Das lässt Raum für viel Fantasie, so wie „Dieses Auto hat vier Reifen, einen Motor und italienische Sitze…“ Mal sehen, wessen Geistes Kind er ist.
Tabakbild
Eigentlich sollen es Curlies sein, doch es ist viel Geriwweltes in der Probe. Michael bestätigt meine Vermutung, dass die ganze Dose so aussah. Hier und da finden sich aber die Coins, die mit so ungefähr 15 x 25mm Größe eine durch den Herstellungsprozess geprägte unsymmetrische Form haben. Viel Helles ist nicht zu sehen, außen sind sie mittelbraun, innen dunkelbraun. Sie sind nicht besonders fest und fallen recht schnell auseinander. Der Kern ist etwas fester.
Der Tabak fasst sich elastisch an, ist relativ trocken und genau rauchbereit. Er ist weder klebrig noch ölig-schmierig. Der Geruch ist tabakecht (Phrasenschwein!). Nein echt, so riecht ein schöner Tabak, erinnert mich an ein Päckchen frisch geöffneten Drehtabak der späten 80er Jahre. Dazu kommt allerdings noch etwas heuiges, nein, nicht dieses zitroniges, spritziges Virginia-artiges, sondern geschnittenes Gras, das schon was in der Sonne getrocknet ist.
Ab in die Pfeife..
Pfeife 1
Brennholz Nr. 1 ist eine Stanwell Relief Nr. 11, die bekannte Quarter Bent Pot, die mit der weiteren Öffnung von 20mm und einem mittleren Füllvolumen von 11cm³ für Flakes recht optimal ist. Daher werde ich was rumpulen und nur Coins aus der Probe fischen und diese möglichst gestapelt einbringen. Ich bekomme 2,4g rein, man könnte aber meines Erachtens auch mehr reinkriegen. Wir wollen aber nicht übertreiben. Alle Pfeifen werden von mir mit einem Meerschaum-Filter geraucht. Der beeinflusst meiner Meinung nach den Geschmack weniger als ein Aktivkohlefilter, nimmt aber mehr Feuchtigkeit auf ohne dichter zu werden.
(Mein Gott, wie peinlich! Da muss dringend der Rand poliert werden..)
Das Stopfen ist ein bisschen tricky, halt unförmige Curlies. Aber kein Problem, da die Pfeife gut zieht und der Tabak auf Grund des geringen Feuchtigkeitsgehaltes (oder perfekten?) die Flamme super annimmt. In Form streicheln, neu anzünden, noch mal behutsam tätscheln und etwas liegen lassen. Nach ein paar Minuten ein letztes Mal anzünden und los geht’s.
Der Geschmack ist so wie erwartet ganz uriger Tabak, nichts künstliches, es prickelt etwas auf der Zunge, ohne scharf zu sein, eine würzige Pfeffrigkeit kommt hervor, wenn man schneller zieht. Bei behutsamen Ziehen kann er schon mal leicht cremig wie die DDLNR werden, ist aber eher selten. Scheint also Perique drin zu sein. Zigarrig Richtung Kentucky, Brasil oder Havanna ist er nicht, auch nicht kräuterig wie der Germains Brown Flake. Einfach nur Tabak. Der Tabak brennt in der 11er nicht zu heiß, nach einem Drittel kommt mal ein Tropfen Kondensat durch den Meerschaum-Filter. Der schmeckt aber nach Wasser und Tabak, nicht nach Propylenglykol oder Aromastoffe. Die Zunge wird leicht gestresst, nicht verbrannt. Nach der Hälfte wird er runder, die Zunge wird geschont.
Die Pfeife hält 1:10h und bekommt im letzten Drittel mehr holzige Aromen.
Die Asche ist mehrheitlich hellgrau und fein, mit kleinen Stücken unverbranntem Kern. Vernachlässigbar. Die Pfeife ist trocken wie die Erde in unserem Garten jetzt im April, die Reinigung unkompliziert, kein Geschmiere..
Pfeife 2
Der Pot war gut, jetzt ist Zeit, also mehr… Nummer Zwei ist eine Stanwell Zebrano Nr. 88, eine Straight Billiard mit einem gut mittlerem Volumen von ca. 12cm³ und einer Öffnung von 19mm. Hier packe ich jetzt das rein, was meine Flossen grabschen können, also Gewrimmsel und Coins. Am Ende sind es 3,7g Misch-Masch.
Direkt beim Anzünden pickt es auf der Zunge (Vorbelastung vom bjarnes Flake zuvor?). Aber in dieser Mischung ist er aggressiver, brennt heißer trotz gutem Zug. Der Geschmack ist schärfer. Ich lege die Pfeife mal zur Seite um die Temperatur runter zu kriegen, sie will aber nicht wirklich ausgehen, was ja positiv ist. Ich mach mit kleinen Sips weiter, dadurch wird es was besser. Sie bleibt aber recht heiß, geht im letzten Drittel aber gerne mal aus. Das Wiederanzünden geht aber ratzfatz.
Nach 1:30h ist Schluss, die Asche ist fein wie zuvor, aber die Anzahl der verkohlten Kernstücke ist höher. Pfeife und Reinigung wie zuvor.
Pfeife 3
Mittel und flach, groß und hoch, jetzt kommt Baby-Pipe. Eine Vauen New York Sand 528, eine Half Bent Bulldog, das kleinste Ding in meiner Sammlung, gerade mal 6cm³. Warum nehme ich die? Weil jetzt nur Gekröse da rein kommt, die will ich überleben. Es passen 1,4g rein, Das hat schon was von einer Shag Pipe.
Angezündet wie immer, brennt der sehr schön, toller Geschmack, kaum Schärfe, schöne Würze. Jetzt werde ich doch wieder weich. Nach einem Drittel geht sie einfach aus. Wiederanzünden abermals Null Problemo. Danach geht’s schön weiter. Nach 35 Minuten ist Schluss, das Schätzchen ist auch eher für Flakes und Plugs gedacht.
Asche diesmal ohne Stückchen, woher auch…
Resümee
Insgesamt sehr puristischer Tabakgenuss. Aus meiner Sicht könnte neben dem Virginia und dem Perique noch ein wenig Kentucky oder fire-cured Burley mit drin sein, etwas für die Würze. Wenn, dann aber nur wenig. Im Mund bleibt nach dem Rauchen eine dunkle Tabakwürze zurück. Leider wird die Zunge etwas gestresst, hierbei scheint es aber auf die Herrichtungsart anzukommen. Die Raumnote ist würziger Tabakduft, der den Raucher begeistert, den Lebensabschnittsbegleiter aber eher vergrault, aber es gibt schlimmeres. Die Stärke ist gut mittel, ich bin zufrieden nach der Pfeife, Händezittern wird sich nicht einstellen.
Glücklicherweise habe ich diese Probe bekommen, denn eine 250g Dose werde ich mir wohl nicht kaufen, eine Garantie dafür kann ich aber auch nicht geben, wenn ich erstmal in Niederaußem bin. Dafür ist er wiederum für den Preis zu gut. Obwohl er mir geschmacklich sehr gefällt, mag ich seine unsteten Raucheigenschaften nicht. Das wird wohl daraus resultieren, dass er in einem solchen Bruch geliefert wird und ich möchte doch Curlies haben. Ich bin mir relativ sicher, dass dies ein Mac Baren-Tabak ist, eventuell ein ungesoster Club Blend. Bei dem hatte ich das Gefühl, dass die Coins vom Ahornkleber zusammengehalten wurden. Preis hin oder her, ich möchte schöne Curlies, die auch haptisch vor dem Rauchen Spaß machen. Also werde ich den Empfehlungen folgen und dem Stockton einen Coin Flip gönnen.
Bewertung:
Geschmacksintensität: Laue Luft / Nett, aber dünn / Ausgeglichen / Dicht / Überwältigend
Nicotin-Punch: Cola / Milchkaffee / Schwarzer Tee / Doppelter Espresso / Kaffeeinstantpulver mit dem Suppenlöffel
Aromatisierung: Taschentuch unparfümiert / Frisch gewaschene Wäsche / Kuchen im Backofen / Duftbaum / Teermaschine
Raumnote: Blümchen / Neue Ledergarnitur / Tabakfabrik / Wohnzimmer-Lagerfeuer / Scheidung
Zungenaggressivität: Glas Milch / Prickeln / kurzer Zungenstress / langzeitiger Zungenstress / kurzer Zungenbrand / langzeitiger Zungenbrand
Empfehlung: Besser nicht probieren / Kann man probieren / Sollte man probieren / Muss man probieren / Wer nicht probiert ist selber schuld
„Trust me. I´m the leading expert of my own opinion.”